
In der Sonne sitzen und eine Wiener Melange genießen – für mich ein kleines Stück vom ganz großen Glück. Kein Wunder: Schließlich wurde die Wiener Kaffeehauskultur von der UNESCO sogar zum Weltkulturerbe erklärt! Warum wir Wiener so stolz auf unsere Kaffeekultur sind, wo man den besten Verlängerten bekommt, wie man sich ein Stück Kaffeehaus in die eigenen vier Wände holt und was genau ein „Überstürzter Neumann“ ist, verraten wir euch in diesem Artikel.
Wer glaubt, dass es erst seit Coffeeshops üblich ist, dass Künstler sich stundenlang in einem Lokal aufhalten und dabei nur einen Kaffee schlürfen, der irrt. Diese Tradition gibt es in Wien schon seit über einem Jahrhundert. Mozart komponierte Opern; Hundertwasser philosophierte über neue Durchbrüche in der Architektur und Arthur Schnitzler schrieb an Theaterstücken – die Wiener Kaffeehäuser waren ein beliebter Treffpunkt von Künstlern, Politikern und Journalisten. Der österreichische Schriftsteller Peter Altenberg hat sein Stammlokal, das Café Central, angeblich sogar als Wohnadresse auf seiner Visitenkarte angegeben.
Doch was ist das eigentlich – die Wiener Kaffehauskultur? Die Wiener Kaffeehauskultur gehört wohl in die gleiche Liga wie das
Le savoir-vivre der Franzosen. Es gehört zum Charme Wiens, dass wir immer noch mit einem Bein in der Vergangenheit stehen und eine nostalgische Ader haben. Ein Kaffehausbesuch ist daher auch immer ein bißchen als ob man in der Zeit zurückreist. Von den Marmortischen, über die klassischen Thonet-Stühle, die großen prächtig verzierten Spiegel bis hin zu den Obern im Smoking. Der klassische Wiener Kaffee wird immer mit einem Glas Wasser auf einem Silbertablett serviert, Zucker extra. Dazu ein Stück feine Mehlspeise – nicht umsonst sagt man in Wien zu Naschkatzen gerne Zuckergoscherl. Dazu noch die aktuelle Tageszeitung und man vergisst über die Stunden Zeit und Raum. Nennen wir es eine Nostalgie-Bubble. Da kommt es auch gelegen, dass Wiener Kaffeehäuser extrem lange Öffnungszeiten haben und Speisekarten, die von Frühstück bis hin zum Abendessen alle Bedürfnisse abdecken. Kein Wunder, dass die Wiener Boheme die Lokale als ihr zweites Wohnzimmer gesehen haben.

Wie alles begann…
Die Kaffeehäuser verdanken wir Kaiser Leopold I. 1685 erlaubte er dem Armenier Johannes Diodato Kaffee auszuschenken. Sein Kaffeehaus war ein Einzelzimmer in der heutigen Rotenturmstraße. Die Wiener waren bald begeistert von dem neuen Getränk, besonders da es mit Zucker und Milch angeboten wurde. Und wenn ich „Wiener“ sage, dann meine ich tatsächlich nur die Männer. Da zu den ersten Kaffeehäusern meistens Spiel- und Rauchsalons gehörten, war Damen höchstens mit männlicher Begleitung der Einlass gewährt. Das tat der Beliebtheit allerdings keinen Abbruch. 1714 existierten bereits 31 Kaffeehäuser, 1879 gab es 605 und 1918 etwas mehr als 800. Getränkekarten gab es damals angeblich nicht. Stattdessen wurde den Gästen eine Farbpalette gereicht – von tiefschwarz bis hin zu milchig-weiß. So konnten die Gäste die Stärke des Kaffees bestimmen.
UNESCO
„Die Kaffeehäuser sind ein Ort, in dem Zeit und Raum konsumiert werden, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht.“

Das 1×1 der Kaffeehaus-Karte
Bei den Unmengen von Kaffee-Variationen kann man schon mal leicht den Überblick verlieren. Doch kein Problem – wir helfen euch! Hier das 1×1 der Wiener Kaffeehaus-Karte:
- Kleiner/Großer Schwarzer: Ein einfacher oder ein doppelter Espresso.
- Kleiner/Großer Brauner oder Kleiner/Großer Mokka: Ein einfacher bzw. doppelter Espresso, der mit einem separaten Kännchen Kaffeeobers serviert wird.
- Verlängerter oder Café Americano: Ein kleiner Espresso, der mit heißem Wasser „verlängert“ wird.
- Wiener Melange: Ein kleiner Espresso, der in einer großen Kaffeetasse mit cremig geschäumter Milch und einem Schaumhäubchen serviert wird.
- Franziskaner: Ist das gleiche wie eine Wiener Melange, allerdings mit einem Schlagobershäubchen anstelle von Milchschaum.
- Einspänner: Doppelter Espresso, verlängert mit 3cl Wasser und Schlagobers.
- Mozart Kaffee: Ein doppelter Espresso mit einer Schlagobershaube, zu dem ein Fläschchen Mozartlikör oder Brandy serviert wird.
- Überstürzter Neumann: In eine leere Kaffeeschale kommt Schlagobers, das dann getrennt mit einem doppelten Mokka serviert wird. Der Doppelmokka wird am Tisch des Gastes über das Schlagobers gestürzt.
- Türkischer Kaffee: Feinst gemahlener Türk Kahvesi, der im Kupferkännchen unter sorgfältigem Rühren mehrmals aufgekocht und mit türkischem Lokum serviert wird.
- Häferlkaffee nach Tante Anni: Kaffee mit viel heiß geschäumter Vollmilch.
- Franz Landtmann Kaffee: Doppelmokka mit einem Schuss Weinbrand und einem Schuss Kaffeelikör. Wird mit einer zimtbestäubten Schlagobershaube serviert.
- Maria Theresia: Ein großer Mokka mit einem Schuss Orangenlikör. Gekrönt mit einer Schlagobershaube, verziert mit Orangenzesten.
- Fiaker: Großer Mokka im Glas, mit Stroh Rum, Schlagobers und Cocktail Kirsche.
- Rüdesheimer Kaffee: Kleiner Mokka mit Weinbrand und Schlagobers.
- Kapuziner: Doppelter Mokka mit Schlagobers.
Die Kellner werden in den klassischen Altwiener Kaffeehäusern gerne mit „Herr Ober“ angesprochen.

Die Top 3 Altwiener Kaffeehäuser
Die wahre Wiener Kaffeehauskultur muss man live erlebt haben. Das Wichtigste dabei: Gaaaaanz viel Zeit nehmen. Ein richtig guter Kaffee, ein feines Stück Mehlspeis und eines Tageszeitung – damit kommt man der Wiener Lebensart schon recht nahe. Hier unsere Top 3 Empfehlungen für einen klassischen Kaffeehausbesuch:

1 Café Landtmann – Das elegante Ringstraßencafé
Bereits seit 1873 kann man hier genüsslich eine Tasse Kaffee genießen. Man fühlt sich tatsächlich in längst vergangene Zeiten zurückversetzt: dank original Thonetsessel aus der Kaiserzeit, denkmalgeschützte Sitzlogen oder Spiegel aus den goldenen 20er Jahren. Der Gründer des bekannten Kaffeehauses – Franz Landtmann – hatte große Ziele. Er wollte das eleganteste Kaffeehaus Wiens erbauen. Der Erfolg gab ihm recht – die Wiener und Wienerinnen waren begeistert vom Landtmann und halten ihm bis heute die Treue. Extra zu erwähnen ist der dazugebaute Wintergarten, der einen phänomenalen Blick auf die Ringstraße bietet.
2. Café Sperl – Das filmreife Kaffeehaus
Auf der Suche nach einer geeigneten Filmkulisse in Wien? Dann sollte man dem Café Sperl einen Besuch abstatten. Ethan Hawke und Julie Delpy standen hier beispielsweise für „Before Sunrise“ vor der Kamera. Das Traditions-Kaffeehaus im sechsten Wiener Gemeindebezirk wurde 1880 erbaut und gehört damit zu den ältesten Kaffeehäusern der Stadt.
Architekten, bildende Künstler, Musiker, Schauspieler, Sänger, Komponisten und sogar Erzherzog Franz Ferdinand gehörten zu den Stammgästen. Hier traf sich alles was Rang und Namen hatte und auch heute kann man noch Autoren wie Michael Köhlmeier treffen. Das denkmalgeschützte Café Sperl gehört zu den am besten erhaltenen Kaffeehäusern Wiens – hier wurde versucht soviel wie möglich von der Originaleinrichtung zu restaurieren.

3. Café Hawelka – Das Künstlercafé der Wiener Boheme
„Jö schau, so a Sau, Jössas na. Was macht a Nackerter im Hawelka?“ Welches Kaffeehaus kann schon behaupten, dass sich ihm ein Kultsong widmet? Der bekannte Wiener Liedermacher Georg Danzer fühlte sich anscheinend sehr inspiriert vom Künstlercafé im ersten Bezirk. Auch sonst hat das Café Hawelka eine beeindruckende Historie zu bieten. In der Zwischenkriegszeit vom Ehepaar Josefine und Leopold Hawelka gegründet, wurde das Lokal bald zum Treffpunkt der Wiener Boheme – Schriftsteller Friedrich Torberg, Maler Friedensreich Hundertwasser oder die damalige Schauspielgröße Helmut Qualtinger sahen das Café Hawelka als ihr zweites Wohnzimmer an. In den 60ern beehrten auch Arthur Miller, Andy Warhol und viele Politiker und Journalisten das Kult-Café. Die Spezialität: Josefines hausgemachten Buchteln (= eine mit Marmelade gefüllte österreichische Spezialität aus Hefeteig). Der legendäre Duft dieser Leckereien weht übrigens immer noch durch den Raum – Josefines Rezept wurde über die Generationen weitergegeben, ihre Enkelsöhne Amir und Michael halten die Tradition in Ehren.
Weitere tolle Kaffeehäuser: Café Schwarzenberg, Café Central, Café Prückel, Café Diglas
Wohnen wie im Wiener Kaffeehaus
In der heutigen Zeit von einem einheitlichen Stil der Wiener Kaffeehäuser zu sprechen, ist natürlich nicht mehr aktuell. Einige Kennzeichen des klassischen Wiener Kaffeehaus-Stils kann man dennoch zusammenfassen:
- Der Thonet-Stuhl: Entworfen 1859 von Michael Thonet ist der Stuhl aus Bugholz bis heute sehr beliebt.
- Kleine Tische mit Marmorplatten, gerne rund oder quadratisch.
- Auffällige, große Spiegel an den Wänden, die kunstvoll verziert sind.
- Klassisches Geschirr – die Kaffeetassen werden stets mit Untertasse serviert
- Bei Besteck und sonstigem Tischgeschirr dominiert die Farbe Silber.
Wollt ihr auch ein klein bißchen Wiener Flair in eure vier Wände bringen? Wir haben einige Key-Pieces für euch zusammengesucht:

1. Kaffeetassen / 2. Beistelltisch aus Marmor / 3. Thonet-Stuhl / 4. Silber-Tablett / 5. Kerzenständer / 6. Zuckerstreuer / 7. Zeitungshalter aus Buchenholz
Lust auf einen Besuch in einem Wiener Kaffeehaus bekommen? Ich jedenfalls schon, habe während des Verfassens dieses Artikel gleich 2 Kaffee getrunken und freue mich schon auf einen baldigen Besuch im Café Landtmann. Habt ihr vielleicht ein Lieblingscafé? Ich freue mich auf eure Eindrücke und Empfehlungen in den Kommentaren!

nelehansenblog says
Was für ein schöner Beitrag. Ich liebe Kaffee, Cafés und alles, was damit zu tun hat. VG
The Recipettes says
DANKE für deinen lieben Kommentar! Die Kaffeehauskultur finde ich einfach sooo spannend, dass ich einen Beitrag dazu schreiben musste! :) Hab noch einen wundervollen Tag mit 1, 2 Tassen guten Kaffee ;)) GlG Danuta